Blue Flower

Durch die Blume berichten

Ein buntes Programm kündet Katharina Hell den vielen Gästen am Samstag zur Kaffeezeit im Kulturgebäude Leingarten an.  „Es ist ein Pipatsch-Programm, voller Sketche, Lieder und Gedichte, mal in Mundart, mal in der Schriftsprache, aber auch mit Informationen zur deutschen Presse im Banat. Das Banat ist nämlich „ohne Pipatsch unvorstellbar“, ergänzt die Schriftführerin des Leingartener Fördervereins Mutter-Anna-Kirche im rumänischen Sanktanna. Die Pipatsch kennen die Anwesenden natürlich, als heimatliche Pflanze und als Mundart-Beilage der „Neuen Banater Zeitung“, die vor 56 Jahren erstmals erschien, und wöchentlich auf Schwowisch über Land und Leute berichtete.

Als Klatschmohn oder Mohnblume ist sie auch hier bekannt und steht bei der Benefizveranstaltung zugunsten der Mutter-Anna-Kirche im Mittelpunkt. Die „Lustigen Schwaben“ zum Verein der Landsmannschaft der Banater Schwaben im Kreisverband Heilbronn gehörend, sind der Pipatsch ebenfalls verbunden. Mit Liedern wie „Wir sind die lustigen Schwaben,“  „Mein Banater Land“ und „Wenn der Wein blüht“, von Johann Sterbling virtuos am Akkordeon begleitet, sorgen sie für Heimatgefühle. Gedichte und Sketche in der Mundart heitern die entspannte Stimmung zusätzlich auf. „Unser Meinung mol dorch die Pipatsch saan“, also „durch die Blume sprechen“, war in der schwowischen Zeitungsbeilage möglich.

Die „Pipatsch“ ließ mit ihrer bewusst eingesetzten Zweideutigkeit Spielraum für Interpretationen. Die Zensur der Securitate, in Rumänien zugleich Nachrichtendienst und Geheimpolizei, hatte schlicht Verständigungsprobleme. „Mit schwowischem Humor wurden manche Missstände aufgedeckt“ erzählt Moderatorin Hilde Klein. Einer der Sketche zeigt, was gemeint ist. „Was ist ihr Vater?“ fragt der Richter den Anton Werner, Sachträger bei der Firma Eiermann, der zum vierten Mal wegen Alimenten vor Gericht steht (man bemerke die Doppeldeutigkeit des Berufes). „Alles.“ Die Antwort missfällt dem Richter. Nach weiteren Missverständnissen, auch beim heiter-frivolen Auftritt des Dienstmädchens Lina, wird Anton begnadigt. „Aber beim nächsten Mal denken Sie Ihr ganzes Leben an mich“, droht der Richter.

Im Gedicht „Die Tratscherei“ wird vom Dorfleben erzählt, während „Die gute alte Zeit“ daran erinnert, dass früher viel mehr miteinander geschwätzt wurde, mangels Fernseher, dass Most statt Sekt getrunken wurde, die Oma statt Abführmittel eine Schüssel Sauerkraut zum Frühstück aß und Verhütung kein Thema war. „Komm Vater, es geschehe dein Wille. Die Oma hat ihr halbes Leben im Umstand verbracht“, berichtet Johann Sterbling. Auch solche Geschichten passen zur „Pipatsch“.

Welche Vorteile die Schreibmaschine, die in 30 Jahren nur dreimal repariert wurde, gegenüber einem Computer hat, der dauernd ersetzt werden muss, wird am Ende des Sketches deutlich. Sie ist nachhaltiger. Auch andere Parodien, wie die Zimmerbuchung im Hotel, der Arztbesuch oder das Treffen im Dorfwirtshaus reizen das Zwerchfell. Beim Zusammentreffen der Stadt- und Landfrauen, typisch kostümiert, prallen Wunschvorstellung und Realität aufeinander.

„Die Pipatsch soll in euren Herzen blühen,“ wünscht Hilde Klein. Das wird sie, heutzutage in Rumänien unter anderem in Form der „Allgemeinen Deutschen Zeitung“, die an fünf Wochentagen erscheint, verschiedene Beilagen hat und auch im Ausland beliebt ist. „Auf Wiedersehn“ heißt es singend als Zugabe. Vielleicht 2026, zum zehnjährigen Bestehen des Fördervereins.

 Astrid Link

Die Veranstaltung wurde gefördert durch die Kulturreferentin für den Donauraum am DZM Ulm. Herzlichen Dank dafür.

  

Bilder Josef Budean