Blue Flower

Glanzvolle Blasmusik meisterhaft gespielt

Tief beeindruckt erlebten die 200 Zuhörer beim Benefizkonzert des Landespolizeiorchesters Baden-Wüttemberg im Leingartener Kulturgebäude eine Sternstunde der Blasmusik. Am Ende gab es Ovationen im Stehen. "Schwabenzüge" nennt sich das neue Programm, welches Chefdirigent, Professor Stefan R. Halder für den Abend bereit hielt: "Die letzten Wochen und Monate habe ich mich mit dem Thema Flucht und Migration beschäftigt und so ist das Programm entstanden". Ein Programm, dass durch die Zeitgeschichte führt und den Zuhörer auf eine einzigartige musikalische Reise mitnimmt. Unter der temperamentvollen und präzisen Leitung von Professor Halder imponiert das Orchester fast zwei Stunden lang mit harmonischer Klangvielfalt, abwechslungsreicher Dynamik und rhythmischen Kontrasten.

 

Großartige Solopassagen runden den fantastischen Auftritt ab.

 

 

 

 

 Im "Orient Express" von Philip Sparke, dem Luxuszug des vorigen Jahrhunderts, ging um 19.30 Uhr die musikalische Reise durch Raum und Zeit los. "Ich hatte die Augen geschlossen und sah den Zug buchstäblich losfahren; Genauso wie früher an unserem Heimatbahnhof" schwärmte ein älterer Besucher. Besonders anschaulich und mit viel geschichtlichem Hintergrundwissen moderierte der Chefdirigent den Abend und brachte die "Schwabenzüge" in alle Herren Länder verständlich, spannend und sehr unterhaltsam rüber. Bereits vor dem zweiten musikalischen Werk, der schnellen Polka "Éljen a magyàr!" von Johann Strauss, kam die Geschichte der Auswanderung der Banater Schwaben zur Sprache, in der ein Sathmarschwabe als Soloklarinettist einen großen Auftritt hatte. Und der Chefdirigent bekannte: "Ich würde das genauso machen wie die Maria Theresia. Ich würde zuerst die Schwaben fragen und so dünn besiedeltes, sumpfiges Land besiedeln." Wobei er den Zuhörer nicht versäumte zu erklären, dass der Begriff "Schwabe" als Synonym für "deutsch" in den Zuwanderungsländer gebraucht wurde. Das wohl emotional bewegendste  Stück des Abends war sicherlich die rumänische Doina. Der Autor und Interpret Thomas Doss nahm uns mit auf die Zeitreise 40 Jahre zurück in das diktatorische Rumänien, in dem sich ein ungarisch stämmiger 17-jähriger Junge unsterblich in eine Banater Schwäbin verliebt und das Schreiben als Ventil jener Zeit entdeckt: "Hört auf eure Herzen ... im Nebel der weißen Nacht, finde ich nichts, außer Liebe, Liebe." Nach den zwei ersten Strophen, ins Deutsche übersetzt, ging das Klagelied ins Rumänische über und rührte manchen Zuhörer zu Tränen. Diese Melancholie, die an Nikolaus Lenau und Mihai Eminescu erinnerte, wurde vom Orchester musikalisch frei improvisiert und wirkte explosiv verstärkend auf die poetischen Worte. "Meleaguri mistice" aus "Rumänische Tänze" erreichte ungefiltert und mit voller Wucht leidenschaftlich melancholisch, so wie es nur Musik vermag, die offenen Seelen der dankbaren Zuhörer.  Im 18. Jahrhundert waren auch Polen und Russland Ziel deutscher Auswanderer. "Klezmer Classics" von Johan de Mej und "Säbeltanz" von Aram Chatschaturjan, waren eindrucksvolle Musikstücke die an jene Auswanderungsroute erinnerten. "Den guten Ton der Polizei" erlebten und spürten die Konzertbesucher bis in die Konzertpause hinein. Nach der Pause, in der es viele Begegnungsmöglichkeiten und keinerlei Berührungsängste zwischen Publikum und Orchester gab, ging es stürmisch mit dem Schwaben Karl Lämmle, Mitbegründer und Mitvater des Broadway, Artist auf der Bühne, nach Westen. Mit  "Gershwin on Broadway" von G. Gershwin , "Harlem Nocturne" von Earle Hagen,  ging es von Nord- nach Südamerika in Begleitung zweier besonderer Saxophone, gespielt von Konstanze Kaulich und Guntram Bumiller, die bewiesen, dass ein Orchester Musik immer wieder neu erfinden und spontan wiedergeben kann. Mit "Danzòn Nr.2" befanden wir uns mitten in Argentinien wo uns Thomas Backhaus ein überragendes Klarinettensolo spielte. In dem lateinamerikanischen Titel "El Cumbanchero" von Rafael Hernandez bekommt Cesàr Villafane für seine solistische Interpretation auf der Querflöte sogar offenen Szenenapplaus. Die vielen verschiedenen Herkunftsländer der Musiker des Orchesters beschreibt der Chefdirigent mit "30 Individuen die sich als Ganzes zusammenschalten ... und es funktioniert" sehr beeindruckend und treffend. Die Zeitzeugenberichte überzeugen und gaben dem Abend eine besondere Note. Bewegend war auch die Verabschiedung eines Musikerkollegen, der in Leingarten seinen letzten Auftritt hatte und in den Ruhestand verabschiedet wurde. Da die "letzte Auswanderungswelle" der Schwaben nach Berlin ging, endet mit "Berliner Luft" und dem "Radetzky-Marsch" als Zugabe, mit einem Dank an die Habsburger für ihr glorreiches Wirken vom Kraichgau bis ins Banat, ein Konzert, dass den Besuchern noch lange in bester Erinnerung bleiben wird. Und wieder sticht der gut gelaunte, eloquente Moderator als Chefdirigent, als "Meister des Taktstocks" heraus: Er dirigiert den Applaus der Konzertbesucher! Die rustikale, sehr treffende Bühnenbildgestaltung mit drei verzierten Quadraten gab dem verzaubernden Ohrenschmaus noch eine visuelle Zugabe, ein Konzerterlebnis der Superlativ hoch drei, wo harmonische, rhythmische und stilistische Performanz die Markenzeichen noch krönten. Der Förderverein "Mutter-Anna-Kirche-Sanktanna e.V." schätzt sich glücklich, das Landespolizeiorchester für ein Benefizkonzert gewonnen zu haben und bedankt sich für den musikalischen Genuss des Abends, für die einfühlsame und erfrischende Moderation durch das Programm und bei allen Konzertbesuchern für den Besuch dieses musikalischen Hochgenusses. Die Spenden fließen dem Fördervereinszweck zu -  der Sanierung der Mutter-Anna-Kirche in Sanktanna/Banat. Herzliches Vergelt´s Gott! Bilder zur Veranstaltung finden sie auf unsere Homepage www.mutter-anna-kirche.de

Josef Staudinger und K. B. Tokata