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Förderverein setzt Benefizveranstaltungen „Rumänien – ein Land mit vielen Kulturen“ fort

Voller Erwartung machten sich 80 Personen am Nachmittag des 14. Mai 2022 auf den Weg in die Festhalle Leingarten. Der Förderverein „Mutter-Anna-Kirche Sanktanna“ e.V. hatte zum Kulturnachmittag eingeladen und seine Kulturreihe „Rumänien – ein Land mit vielen Kulturen“, welche 2019 begonnen wurde, fortgesetzt.

Sie wurden nicht enttäuscht, denn es sollte ein besonderer Nachmittag werden. Neben der Spendensammlung für die Sanierung der Mutter-Anna-Kirche in Sanktanna ist es dem Förderverein ein wichtiges Anliegen, für das Miteinander mit anderen Kulturen zu sensibilisieren, Toleranz zu stärken und den Abbau von Vorurteilen gegenüber Fremdem und Unbekanntem zu fördern.

Katharina Hell eröffnete den Nachmittag und lud die Gäste ein, sich auf eine Reise in eine faszinierende Welt mitten in Europa, quasi vor der eigenen Haustür, zu begeben. Atemberaubende Kulturlandschaften und Klangbilder der besonderen Art warteten darauf, entdeckt zu werden.

Katharina Hell

Symbolträchtig eröffnete Anton Bleiziffer mit der Europahymne, der 9. Symphonie von Beethoven auf Balkan-Art, die künstlerisch-musikalische Seite. Es folgten weitere Stücke zur Einstimmung auf den folgenden Reisebericht. „Am un leu si vreau sal beu“ wurde ebenso angespielt, wie eine rumänische Suite mit einem Duzend von typischen rumänischen Volksweisen. Dabei kamen das immense Musikwissen über die Region und die Hintergründe zur gesamten Musiklandschaft von Bleiziffer zum Ausdruck. Sehr beeindruckend war der Modulationsreichtum innerhalb der Romanzen, den Bleiziffer spielerisch meisterte. Das macht den Unterschied zu den deutschen Volksliedern aus: sechs bis sieben Akkorde in einem Lied sind nicht ungewöhnlich. Typische rumänische Ruflieder „Strigatura“, die „Invartita“ oder die „Hora“ durften nicht fehlen. Den Ausklang des ersten Musik Potpourri bildete ein Stück von Ciprian Porumbescu, ein Auszug aus seiner Operette „Crai nou“. „Mehrsprachigkeit und interkulturelle Bildung stiften Identität“, so Anton Bleiziffer. Persönliche Erfahrungen aus seiner Schulzeit im Buchenland und das Lied „Boloboc“, welches er von seinen Schülern gelernt hat, berührten und erstaunten die Zuhörer. Unvergleichlich schön waren die von Bleiziffer selbst ins Deutsche übertragenen Eminescu Romanzen, teilweise von ihm gesungen. Bleiziffers Wandlungsfähigkeit und einzigartige musikalische Vielfältigkeit kam wieder mal bewundernd zum Tragen. Die Zuhörer bekamen eine sogenannte Seelenmassage zu Gehör und dankten mit intensivem Applaus. Der Vorsitzende des Fördervereins, Herbert Hellstern nannte Bleiziffer in seiner Dankesansprache „ein Musikgenie“. Perfekt auf die präsentierten Bilder abgestimmt, rundeten Sie den Vortrag ab und hoben zusammen mit den Fotografien den Nachmittag auf eine große künstlerische Ebene.

Josef Budean hatte das Buchenland mit Freunden bereist und einmalige Momente von Land und Leuten mit seiner Fotokamera festgehalten. In unvergleichlicher Weise nahm er uns mit auf die Reise und beschenkte uns mit einer Fülle besonderer Momente. Mit Respekt vor seinem Gegenüber, egal ob Mensch, Tier oder der Natur, Budean versteht es, die Dinge in Szene zu setzten. Die Geschichten hinter den Bildern faszinieren und lassen niemanden unberührt. Mit großem Respekt und unnachahmlicher Achtung versteht er es, Armut zu porträtieren und Gastfreundschaft zu leben. Es war, als ob wir selbst, den Dampf der Schmalspurbahn aus 1911 riechend, im Zug sitzend durch die Hügellandschaft der Bucovina fuhren. Die zähnefletschenden Hüterhunde der Bauern, im Hintergrund die weite blühende Landschaft mit dem Morgentau auf den Gräsern oder der Besuch des Bauernmarktes, Budean bringt alles so authentisch rüber, dass man das Gefühl bekommt, den nächsten Urlaub genau dort verbringen zu müssen. Wer sonst, wenn nicht er, versteht es beim  „Tag der Toten“ bei den Huzulen mitten auf dem Friedhof stehend Trauer und Stolz, Tradition und Kultur so zu vereinen und in Bildern festzuhalten! Wer sonst, wenn nicht er, kann uns Bilder zeigen, die Geschichten ohne Worte erzählen! Sorgfältig ausgewählt aus einer schier unerschöpflichen Anzahl von Bildern und geschickt präsentiert, das kann er wie kein anderer. Denn Bild ist nicht gleich Bild. Jedes Bild ist eine Geschichte für sich und verbunden mit dem wahren Schatz der Bucovina: Den Menschen und das, was sie geschaffen haben, eingebettet in eine einzigartige Naturschönheit.

Wir wurden alle auf vielfältige Weise reich beschenkt an diesem sonnigen Nachmittag. Denn es sind immer die Begegnungen mit Menschen die eine Reise, ob kurz oder lang, zu etwas Besonderem machen. Die Reise nach Leingarten hat sich mehrfach gelohnt: Die Begegnungen nach der Corona-Pause waren sehr herzlich, die Gespräche intensiv und bereichernd, das Kulturprogramm ein unbezahlbarer Schatz und das Kuchenbuffet ein Genuss. Herzlichen Dank an dieser Stelle an das verlässliche Helferteam mit allen Bäckerinnen, welche den ganzen Tag unermüdlich tätig waren. Ihr seid eine tragende Säule dieses Vereins!

Kuchenbuffet

Unterstützung erhielten wir auch am Ausstellungstisch und am Verkaufstisch des Fördervereins. Am Infostand konnte man sich über den Förderverein und seine Projekte informieren.                    Der Ausstellungstisch bereicherte das kulturelle Angebot und zog magisch die Besucher an. Handwerkskunst aus der Bucovina und literarische Exponate bildeten eine Symbiose und waren perfekt in Szene gesetzt. Vor der Ausstellungseröffnung in der Pause stellte Katharina Hell die Kunst-, Musik und Literaturszene der Bucovina vor. Alfred Margul Sperber, ein Bucovinadeutscher, war mit seinem Buch „Das verzauberte Wort“, welches im Jugendbuchverlag Bukarest erschienen ist, am Ausstellungstisch vertreten. Vom Kloster Voroneti gab es eine Abbildung, mit Stroh in Szene gesetzt, zu bewundern. Das Kloster selbst, ebenso die Klosteranlage Sucevita stellte Budean ausführlich über die Bild-Präsentation vor. Das Kloster Voroneti wurde 1488 in nur drei Monaten und drei Wochen errichtet und gehört, wie acht weitere Klöster der Moldau, zum UNESCO Weltkulturerbe. Mittelalterliche Meister haben das leuchtende „Blau von Voroneti“ aus einem Mineral gewonnen – aus gemahlenem Azurit. Warum die Farbe über eine so lange Zeit eine derartige Leuchtkraft besitzt, darüber geben Laboruntersuchungen Auskunft: auf schwarzem Grund aus Holzkohle aufgetragen und mit einem organischen Bindemittel aus Kalk und Kuhmilchkäse beigemischt, hat die Malerei wesentlich zur Benennung als „Sixtinische Kapelle des Ostens“ beigetragen. Ebenso war Eminescus „Luceafarul“ in neun Sprachen übersetzt am Ausstellungstisch und neben den bemalten Eiern und einer ortstypischen schwarzen Blumenvase der „schwarzen Keramik von Marginea“, zu bewundern. Dabei geht dieses alte Handwerk der Tonkunst bis auf die dakische Zeit zurück. Bei offenem Ofen acht Stunden über dem Feuer aus Tannenholz gebrannt, muss die Keramik weitere acht Stunden im geschlossenen Ofen ruhen. In der Bucovina gibt es kein Haus ohne Ikonen. Zwei Originale davon waren in Leingarten zu bewundern. Ebenso von Weberinnen in mühevoller Arbeit hergestellte Tischläufer, von Budean selbst aus der Reise mitgebracht.

Ausstellungstisch

Nach der Pause widmeten wir uns dem bedeutendsten rumänischen Dichter und Schriftsteller des 19. Jahrhunderts: Michai Eminescu, der von 1858 bis 1860 die deutschsprachige Schule in Czernowitz besucht hat. Wie viele andere Künstler und Autoren des Buchenlandes studierte er im Ausland (Wien und Berlin).

Allgemein hat das Buchenland große Strahlkraft in der internationalen Kulturszene: Ciprian Porumbescu schrieb die albanische Nationalhymne und die frühere rumänische Nationalhymne, unzählige Balladen und die erste rumänische Operette „Crai nou“; George Enescu mit seinen verschiedenen symphonischen Kompositionen, Rhapsodien, Opern, mit Studium in Wien und seinem Wirken in Frankreich, Siena und New York; Paul Celan und der Tenor Josef Schmidt, Michail Sadoveanu und Ion Creanga dürften uns noch aus der Schulzeit bekannt sein. Die multiethnische Kultur ist typisch für diese Kulturlandschaft. Durch Enescu und Porumbescu wird die rumänische Musiklandschaft international.

Auch die Geschichte der Buchenlanddeutschen wurde angesprochen und die besondere Lage der Kulturhauptstadt Czernowitz als Wegkreuzung zwischen Ukraine, Moldau und Rumänien. Das Bucovina Institut in Augsburg wurde von Katharina Hell wärmstens empfohlen, denn ein Nachmittag reicht nicht aus um diese besondere Gegend musikalisch und bildlich auch nur ansatzweise abzubilden.

Herbert Hellstern setzte den Schlussakkord mit seinen ausführlichen Informationen zum Förderverein, dessen verwirklichten Projekten und Vorhaben. Auch sparte er nicht mit Lob der beiden Referenten Anton Bleiziffer und Josef Budean, die uns in „unvergleichlicher Weise in eine Landschaft mitgenommen“ und Musik, Landschaft und Herkunft geschickt kombiniert haben. Die Dankesansprache schloss Hellstern mit einer rhetorischen Frage:„Wer hätte das besser präsentieren können als Sie  beide?“. Für den Förderverein ist es ein Segen, dass seine Mitglieder sich so engagiert einbringen und für die Besucher eine Bereicherung mit unvergesslichen Eindrücken und immer wieder Treffpunkt für Landsleute aus dem Banat.

Die Veranstaltung wurde gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Dr. Swantje Volkmann - das Kulturreferat für den Donauraum am Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm. Hierfür ergeht ein herzliches Dankeschön.

Katharina Hell